Wo soll mein Hund denn laufen - links, rechts, vor oder hinter mir?
Wo läuft er denn nun, mein Hund?

Wo läuft er denn nun, mein Hund?
Ich werde
immer wieder gefragt, wo der Hund denn nun laufen soll - hinter mir, neben mir
oder gar vor mir?
Da unterscheide ich vorab erstmal Freizeitmodus oder Arbeitsmodus. Im folgenden geht es um den Freizeitmodus, also die täglichen Spaziergänge mit meinem Hund.
Gerade wenn
man einen Hund an der Leine hat, der bei Hundebegegnungen/-sichtungen außer
Rand und Band ist, dann sollte der Hund doch besser hinter mir oder neben mir
laufen, damit ich alles für ihn regeln kann und auch besser auf meinen Hund
einwirken kann.
Aber muss ich das wirklich, also direkt auf meinen Hund einwirken?
Da wird schon im Vorfeld, bevor uns der Hund überhaupt irgendwelche Signale gezeigt hat, die Leine kürzer genommen und so dem Hund mitgeteilt, dass da jetzt wohl was für ihn Blödes kommen wird. Der Hund lernt immer, ob wir das wollen oder nicht…
Ist es nicht so, dass man unter Freunden - der Hund ist ja bekanntlich der beste Freund des Menschen - sich hilft und unterstützt, emotionale Sicherheit bekommt, aber nicht ständig nur behütet und einem jedwede Entscheidung abgenommen wird? Ich persönlich möchte nicht, dass mir meine beste Freundin ständig alles vorgibt und die Entscheidungen für mich trifft, auch wenn es vermeintlich gut gemeint ist. Ich möchte selber in der Lage sein, gute Entscheidungen für mich zu treffen und einen Weg für mich finden, mit verschiedenen Situationen zurecht zu kommen.
Oftmals wird gesagt: „Du musst ihn kurz nehmen“ oder „Er
muss neben oder hinter Dir laufen“, „Nur so hast du ihn im Griff“.
Das Problem dabei ist aber, wenn man immer nur die Symptome bekämpft, aber nicht nach der Ursache schaut, wird sich dauerhaft nicht viel verändern. Zum Schluss heißt es dann nur, Hundeschule XY hat mir nichts gebracht und man geht zur nächsten und wendet alle möglichen Methoden an, die den Hund nur noch mehr verwirren und die doch eigentlich innige Beziehung zu meinem Hund leidet immer mehr darunter.
Die Fragen, die sich mir dabei stellen, sind: muss ich wirklich ständig auf meinen Hund einwirken können und wie geht es meinem Hund dabei? Und was lernt mein Hund dabei? Warum zeigt der Hund überhaupt das unerwünschte Verhalten in dieser Situation? Unterstütze ich mit meinem Verhalten wirklich meinem Hund?
Wenn ich
ständig damit beschäftigt bin, meinen Hund zu blocken, damit er hinter mir
bleibt, dann ist das auf Dauer ziemlich anstrengend, sowohl für den Menschen
als auch erstrecht für den Hund. Zumal der Hund gar nicht mitbekommt, was eigentlich auf
ihn zukommt, weil er ständig hinter dem Menschen laufen soll. So kann er für
sich keine Strategie finden, mit dem, was für ihn gruselig ist, umzugehen und
sich eben darauf vorzubereiten. Es sei denn, ich habe es als Alternativverhalten so gut trainiert, dass ich meinem Hund damit helfe, durch für ihn unangenehme Situationen zu kommen. Auch Fußlaufen kann ein tolles Alternativverhalten sein, sofern es positiv trainiert worden ist.
Wenn das gruselige Objekt dann irgendwann direkt neben ihm oder gerade an ihm vorbei ist,wird er damit völlig überrascht und ist dann vielleicht total überfordert. Reagiert
der Hund dann über, da er keine Bewältigungsstrategie gelernt hat, kommt
meistens vom Menschen obendrein noch was Schlechtes dazu, z.B. ein Leinenruck,
damit der Hund wieder „in der Spur“ ist oder er wird geschimpft etc. Das
bedeutet für Deinen Hund, dass in diesem Moment, in dem es ihm eh schon
schlecht geht, noch was Unangenehmes von seinem Menschen hinzukommt.
Und so macht der Hund jedes Mal in dieser Situation die Erfahrung, dass sein Mensch ihm in dieser Situation nicht hilft und somit wird das Verhalten des Hundes von Mal zu Mal schlimmer.
Zudem beobachte ich immer wieder Menschen, bei denen der Hund so auf seinen Menschen fixiert ist oder in brenzligen Situationen immer abgelenkt wird, so dass der Hund die Umwelt eigentlich gar nicht wahrnimmt. Auch dabei lernt der Hund nicht, wie er dann mit diesen Situationen umgehen soll.
Fakt ist, dass die Hunde, die an der Leine so extrem reagieren, einen Grund dafür haben, sie machen das nicht zum Spaß!
Sie haben
bisher gelernt, dass egal, welche körpersprachlichen Signale sie uns vorher
senden, dass diese von ihrem Menschen nicht erkannt werden und er ihnen in der
Situation mit seinem Verhalten nicht hilft oder die Situation auch noch
verschlimmert. Und somit sucht sich der Hund dann selbst ein Verhalten, was ihn
erst gar nicht in diese Situation bringt oder ihn da schnell wieder rausbringt.
Der Hund hat nie gelernt, mit diesen Situationen umzugehen, seine Ängsten und Emotionen sind ständig präsent und er wird ständig wieder in solche für ihn unangenehme Situationen geführt. Wie soll der Hund da seinem Menschen voll und ganz vertrauen können.
Ein anderes Argument, dass der Hund hinter oder neben mir laufen soll, war jenes, damit der Hund nicht ständig vorne in der Leine hängt und „abcheckt“, was da so alles kommt. Dafür gibt es aber viele Gründe. Zum einen wäre zu hinterfragen, ob die Leinenführigkeit positiv trainiert wurde, so dass der Hund gerne bei mir läuft oder ob er jenes nur tut, weil er Angst vor den Konsequenzen hat, wenn er dieses eben nicht tut.
Einem Hund, der nur neben mir läuft, weil er z.B. Angst
vor einem Leinenruck hat, geht es mit Sicherheit nicht unbedingt gut neben mir.
Zum anderen benötigen viele Hunde - wie wir Menschen auch - eine gewisse
Individualdistanz, die bei manchen Hunden schon mal zwei oder auch drei Meter betragen
kann. Ich persönlich möchte auch nicht, dass mein Freund ständig direkt neben
mir läuft oder wie eine Klette an mir hängt. Wenn ich keinen Freiraum bekomme,
würde ich mir den dann auch suchen wollen.
Insofern sollte man sich überlegen, ob die Leinenlänge, die ich gewählt habe, meinem Hund ausreicht, seine Individualdistanz zu wahren. Wenn nicht, wird er immer in der Leine hängen, weil er seinen Abstand haben möchte, damit er sich wohl fühlt. Viele Hunde gehen mit einem Meter mehr Leine auf einmal völlig entspannt vorneweg oder sogar neben ihrem Menschen. Auch ist ein Hund mit langer Leine in der Lage, hündisches Verhalten zu zeigen, d.h., er kann die Seite wechseln oder einen Bogen laufen, wenn es ihm zu eng wird oder er kann freiwillig hinter seinen Menschen gehen. Er kann stehen bleiben, ohne dass er gleich in der Leine hängt, weil sein Mensch einfach weiterläuft.
Wenn die Leinenführigkeit positiv trainiert worden ist, der Hund die benötigte Individualdistanz bekommt und dennoch ständig in der Leine hängt, dann kann es durchaus sein, dass er ständig auf einem zu hohen Erregungsniveau unterwegs ist. Da ist dann auch zu schauen, ob sich der Hund generell gut entspannen kann oder warum der Hund so aufgeregt ist. Ein grundsätzlich entspannter Hund wird nicht so stark auf Auslöser reagieren wie ein Hund, der ständig unter Strom steht. Das kennen wir aus Menschensicht ja auch. Wenn wir mit unserem Hund rausgehen und der Hund ist ängstlich/unsicher, dann wird er immer wissen wollen, was da kommt, weil er ja ständig Angst vor etwas hat und auch nicht weiß, wie er reagieren kann bzw. soll.
Macht es bei solchen Ängsten/Emotionen für den Hund einen Unterschied, wo er nun läuft? Die Emotionen sind ja vorhanden. Auch wenn er zu jedem Hund hinzieht, will er denn wirklich auch dorthin? Oder guckt er bei jedem Hund, ob es eine Gefahr für Ihn darstellt und ist dann jedes Mal erleichtert, wenn er da war und geht dann „entspannt“ weiter.? Aber das heißt auf der anderen Seite ja auch, dass der Hund jedes Mal total aufgeregt ist, bis er beim anderen Hund ist und es „für sich“ geklärt hat und das geht den ganzen Spaziergang so weiter. Er ist dauerhaft angespannt - gut und gesund ist das für den Hund jedoch nicht.
Und genau hier muss das Training ansetzen.
Ich möchte ein Beispiel aus unserem „Menschenleben“ einbringen. Wenn wir ein Kind haben, welches vor großen Männern mit tiefer Stimme Angst hat, bringt es ihm nichts, wenn wir es hinter oder neben uns laufen lassen, es ständig schützen wollen und auf das Kind einreden, dass es keine Angst haben braucht. Wenn man nicht an den Ängsten arbeitet, wird es immer Angst haben. Es ändert nichts an den Emotionen/ Ängsten, das Kind erlebt immer wieder diese Angst. Das Kind wird immer unsicherer, kann sich irgendwann nur noch schwer konzentrieren, große Männer mit tiefer Stimme können ja überall und auch plötzlich auftauchen. Dann werden die Noten schlechter und, und, und…
Angst zieht bekanntlich Kreise
.
So oder so ähnlich ergeht es unserem Hund jedes Mal, wenn wir da rausgehen. Ich kenne dieses Phänomen aus eigener Erfahrung, ich habe zwei Hunde aus dem Tierschutz, von denen einer, immer wenn eine Situation neu ist, wieder in das alte Verhalten zurückfallen würde, wenn ich nicht schon vorher seine körpersprachlichen Signale sehen und dementsprechend reagieren würde. Und dabei ist es völlig egal, wo mein Hund gerade läuft.
Wenn ich seine körpersprachlichen Signale erkenne, kann ich ihm mit einem positiv trainierten Alternativverhalten, welches auch noch ausreichend belohnt wird oder anderen gut trainierten Signalen in genau dieser Situation helfen. Dafür muss er nicht in meiner unmittelbaren Reichweite sein, ich kann ihm aber dennoch helfen und er kann sich voll und ganz auf mich verlassen. Ich muss dazu nicht körperlich auf ihn einwirken.
Positiv trainierte Abbruchsignale wie z.B. der Geschirrgriff sind Notfallsignale, die richtig gut trainiert auch an der langen Leine und im Freilauf funktionieren. Mein Signal „Geschirr“ für den Geschirrgriff heißt für meinen Hund, wenn er nicht in meiner Nähe ist, bleibt er jetzt stehen und macht keinen weiteren Schritt mehr. Sind wir unverhofft in eine blöde Situation geraten, aus der ich meinen Hund möglichst schnell raushaben möchte, bedeutet „Geschirr“ für meinen Hund: “ich werde jetzt von meinem Menschen angefasst und er bringt mich jetzt hier raus“.
Wenn ich also möchte, dass mein Hund draußen entspannt seine Umwelt wahrnehmen kann, dann ist es egal, wo mein Hund läuft, Hauptsache, er fühlt sich dabei wohl. Und dabei kann er gerne auch vor mir laufen und alles beobachten, was auf ihn zu kommt und um ihn herum geschieht. Mir ist wichtig, dass er an lockerer Leine läuft (das müssen Hunde lernen, das können sie nicht von natur aus), mich also nicht durch die Gegend zieht. Er darf in seinem Leinenradius Erkundungsverhalten zeigen, nach Herzenslust schnüffeln, schauen etc. Genau dafür ist der Spaziergang ja da - für ihn und nicht um meine eigenen Bedürfnisse zu decken, wobei man vieles sehr gut kombinieren kann, so dass es beiden Spaß macht.
Allerdings
muss ich an der Emotionslage meines Hundes arbeiten, damit das Objekt, welches
bei ihm Angst oder Unsicherheit auslöst, immer weniger Emotionen auslöst und
zwar angefangen bei
„Herzrasen, ein gruseliger
Hund auf 50 m, ich flipp mal aus“ über
„ Herzrasen, ein Hund auf 50m, uff, kann
ich grad so ertragen“ über
„Ein Hund auf 50 m, naja, es kommt ja was Gutes von
meinem Menschen hinzu, ich kann noch ruhig bleiben“ bis hin zu
„Ein Hund auf
50 Meter, na gut, vielleicht tun es auch 49 m, mal schauen, ich schau es mir
mal an“...usw.
Und dafür braucht es viel Zeit, Geduld und viele gute Trainingssituationen.
Das geht leider nicht von heute auf morgen. Auch ich kann nicht jeden leiden - muss
ich aber auch nicht. Zum einen kann ich mir meinen Umgang selbst aussuchen
und zum anderen kann ich lernen, einen für mich entspannten Umgang zu finden,
mit dem ich gut leben kann.
Wichtig zu erwähnen wäre auch- und das gilt für jedes Problem mit den Hund, dass man sich von der Perfektion freimachen muss. Es wird immer mal Hundebegegnungen geben, wo der eine Hund den anderen blöd findet- wie bei uns Menschen auch.
Und nur
dann, wenn auch an den Emotionen gearbeitet wird, wird es für deinen Hund
draußen immer erträglicher und durch gut trainierte Signale werden eure Spaziergänge
für Dich und
Deinen Hund sehr viel
entspannter. Und dabei ist es ganz egal, wo mein Hund läuft. Hauptsache, es geht ihm gut dabei!
Ich wünsche Euch ganz viel Verständnis für Euren Hund, viel Spaß und vor allem Geduld beim Training!

Seit über 5 Jahren begleite ich ganz unterschiedliche Mensch-Hund-Teams im Training.
Sinnvolle Beschäftigungen & deren Beschreibungen findest Du hier:
Hundebeschäftigung (fairbindung-mensch-hund.de)
Bist du nicht in unserer Nähe, gibt es auch online gute Beschäftigungsmöglichkeiten, die du zeitlich & räumlich unabhängig mit deinem Hund machen kannst :-)
Online Training (fairbindung-mensch-hund.de)
Sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten für zuhause findest Du hier:
Lebenslust statt Lebensfrust - Beschäftigungen im Hundetraining (fairbindung-mensch-hund.de)
unser Trainingsangebot findest du unter:
Willkommen bei Fairbindung Mensch Hund (fairbindung-mensch-hund.de)
Wenn Du Fragen zu Beschäftigungen hast oder nicht recht weißt, was das Richtige für euch sein könnte, schreibe mir gerne eine Email an:
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