Was Leinenführigkeit mit Individualdistanz zu tun hat

Über die richtige Leine und was der Markt inzwischen alles
an Leinen verkauft, könnten wir Stunden philosophieren. Neben den
unterschiedlichen Materialien, Varianten, mit verschiedenen Ringen oder
dekorativen Elementen, gibt es unterschiedliche Leinenlängen.
Was genau ist die Individualdistanz und was bedeutet es für das Mensch-Hund-Teams in Bezug auf die Leinenführigkeit?
In diesem Blogbeitrag möchte ich dir gerne näherbringen, warum du dir mal Gedanken über die Individualdistanz deines Hundes (an der Leine) Gedanken machen solltet.
Jeder Mensch wie auch jeder Hund hat seine persönliche Individualdistanz zu sämtlichen Sozialpartnern/innen. In diesem Beitrag geht es um die Individualdistanz zwischen Mensch und Hund an der Leine. Die Leinenlänge gibt dem Hund eine maximale Individualdistanz (Leinenlänge) zum Menschen während des Spaziergangs vor.
Ein Teil unserer Hunde suchen gerne nahen Kontakt zum Menschen und drücken sich sogar leidenschaftlich gern an die Beine von Frauchen oder Herrchen. Doch diesen nahen Kontakt mögen viele unserer Hunde ggf. nur Zuhause. Während des Spaziergangs haben Hunde häufig ganz andere Interessen.
Es gibt auch Hunde, die es vorziehen, lieber ein wenig Abstand zum Menschen zu halten und nicht der Gefahr ausgesetzt zu sein, von einer Tasche, Jacke oder der Bewegung des Menschen erschreckt zu werden. Während der täglichen Gassi-Runde befriedigen unsere Hunde ihre Bedürfnisse über Schnüffeln, Stöbern, Laufen, Rennen usw.... Hunde gehen beim Spaziergang sozusagen dem menschlichen Zeitungslesen nach.
Betrachten wir nun eine Leine mit der Länge von 1-1,5 m, haben unsere Hunde kaum die Chance zu entscheiden, was sie am Spaziergang erkunden möchten und auch nicht, in welchen Tempo. In diesen Momenten passiert genau jenes Verhalten, welches wir nicht so gerne an unseren Hunden sehen:
-die Leine ist gespannt und straff
-der Hund zieht in eine Richtung
Ein Hund, deren Leinenlänge geringer ist als seine benötigte Individualdistanz wird immer von dir weg ziehen!
In vielen Fällen hätte eine längere Leine diesen Konflikt zwischen Mensch und Hund verhindert. Im besten Fall wäre der Hund kurz an die Schnüffelstelle gegangen und wäre nach einem kurzen Verweilen an dieser Stelle dem Menschen gefolgt. Im noch besseren Fall wäre der Mensch stehen geblieben, hätte kurz gewartet und zugesehen, wie der Hund schnüffelt und beide wären gemeinsam weiter gegangen. Eine längere Leine ersetzt natürlich nicht, dass ein Hund das Einhalten der Leinenlänge an lockerer Leine lernen muss. Die Leinenführigkeit ist ein wichtiger Lernbestandteil für jeden Hund. In allen hessischen Stadtgebieten, öffentlichen Plätzen, Veranstaltungen, zur Setz- und Brutzeit sowie an weiteren gekennzeichneten Orten/Plätzen besteht i.d.R. Leinenpflicht.
Dementsprechend gehört die Leine zu einem Leben mit Hund dazu und ist für einen entspannten gemeinsamen Spaziergang, das Laufen des Hundes an lockerer Leine, elementar. Damit meine ich absolut nicht das Ausführen des Signals ,,Fuß-laufen“, sondern an lockerer Leine mit dem Menschen an Straßen, Stadt, dem Weg zum Feld, Wald und Wiesen unterwegs zu sein.
Sollte dein Hund nicht 100% abrufbar sein oder die gesetzlichen Bestimmungen eine Leinenpflicht aussprechen, so solltest du den Hund im Freizeitbereich (Feld, Wiese, Wald, Spazierweg etc.) an einer Schleppleine von mindestens 10m sichern.
Doch zurück zum Thema Führleine und kleines rechnerisches Beispiel zur Leinenlänge. Ein kleiner Hund mit einer Schulterhöhe von 20 cm ist allein von der menschlichen Hand bis zu einem Meter entfernt. Habe ich nun eine Leine von 1,50 m, so gibt es maximal einen Radius von 1,30m, ohne dass ich die Rückenlänge des Hundes abgezogen habe. Unsere menschliche Schrittlänge beträgt im Durchschnitt 60cm. Ein bis zwei Schritte des Menschen reichen in diesem Beispiel aus, dass der Hund an straffer Leine läuft. Dafür muss der Hund kein eigenes Verhalten gezeigt haben, weswegen die Leine auf Spannung ist, sondern der Mensch ist lediglich zu schnell gelaufen.
Die Leinenlänge bedeutet zudem, dass der Hund direkt an den Füßen oder dem Bein laufen muss. Dies nehmen manche Hunde als durchaus unangenehm wahr. Im Vergleich aus unseren menschlichen Leben nehme ich gerne die Situation, wenn man in einer Stadt durch einen engen Tunnel bzw. eine Unterführung laufen muss und mein Körper dabei die Wand oder eine Hecke streift. Dies empfinde ich ebenfalls als sehr unangenehm. Genauso wie ich es sehr unangenehm empfinde, wenn ich an jedem Schaufenster mit der Hand von meinem Mann weitergezerrt werde und ich nicht mal in Ruhe mir etwas anschauen kann. Genau dieses Verhalten von uns müssen unsere Hunde im Falle einer zu kurzen Führleine immer wieder aushalten – zum einen werden sie durch eine zu kurze Leine recht schnell nach vorne ausgebremst, zum anderen müssen sie immer schnell hinterher, da der Mensch ja weitergeht.
Genau dies ist oft ein Grund dafür, dass der Hund die Leine nicht toll verknüpft und die Leine ganz oft mit Frust verbunden ist (zu Recht!).
Falls dir gerade der Gedanke durch den Kopf schießt ,, ach das ist jetzt aber kompliziert, dann nehme ich lieber eine Rollleine (Flexileine)“, auch davon muss ich euch dringend abraten. Rollleinen sind immer auf Spannung und euer Hund erhält immer Spannung und damit interpretierten Druck über die Leine als Emotion übertragen. Auch dies ist für euren Hund kein entspanntes und bedürnisorientiertes Spazierengehen.
Nehmt es bitte nicht als Vorwurf oder Kritik war. Auch bei mir ist der Alltag häufig stressig, mein Hund muss sich anpassen und ich habe bereits Weg und Ziel definiert. Doch wir sollten dabei die Bedürfnisse unserer Hunde nicht vergessen und immer wieder überprüfen, ob die Individualdistanz unseres Hundes durch kleine und einfache Veränderungen, wie z.B. eine längere Leine möglich wären. Und am Ende haben Mensch wie Hund einen positiven Effekt und einen entspannteren Spaziergang. Langfristig erhalten wir dadurch eine deutlich bessere Mensch-Hund Beziehung und vor allem eine wunderbare Zeit zusammen.
Probiert es aus und macht das Experiment mit einer längeren Leine. Nehmt euch mal bei einen Spaziergang nur Zeit für die folgenden Punkte:
-Beobachte mal, in welcher Position um dich herum dein Hund gerne laufen möchte (links, rechts, vor- oder hinter euch?)
-Gib deinem Hund die Möglichkeit, auch mal 3-5 Meter von dir entfernt zu laufen
-Dein Hund darf über den Weg entscheiden
-Wenn dein Hund stehenbleibt, so bleibe auch du mal stehen
-Beobachte den gesamten Spaziergang die Körpersprache deines Hundes und versuche zu entdecken, wann er sich am wohlsten fühlt
Das wichtige Thema Leine und was die richtige Leinenlänge ist, kann nicht aus dem ,,ff“ beantwortet werden. Jeder Hund ist individuell und unterscheidet sich in seiner Indivdualdistanz zum Menschen an der Leine. Wir empfehlen als Führleine eine Leinenlänge von 2,5m-3m und deinem Hund möglichst häufig dieselbe Leinenlänge zur Verfügung zu stellen (und gerade zum Erlernen des Laufens an lockerer Leine nicht dauernd die Leinenlänge zu verändern). Ich empfehle, im Freizeitbereich eine Schleppleine zu verwenden und auf Rollleinen zu verzichten, solange bis dein Hund gelernt hat, an lockerer Leine zu laufen.
Das alleinige Verändern der Leinenlänge ist die beste Voraussetzung, um mit positiver Verstärkung eine gute Leinenführigkeit zu erlernen und ist eine Grundbedingung in unserem Training.
Einen weiteren Artikel zum Thema Leinenführigkeit und wo dein Hund denn laufen soll, findest du hier:
Wo soll mein Hund denn laufen - links, rechts, vor oder hinter mir? (fairbindung-mensch-hund.de)

Fairbindung's-Blog (fairbindung-mensch-hund.de)
Sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten für zuhause findest Du hier:
Lebenslust statt Lebensfrust - Beschäftigungen im Hundetraining (fairbindung-mensch-hund.de)
Wenn Du Fragen Training an lockerer Leine hast, schreibe mir gerne eine Email an:
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